BIOSS
Centre for Biological Signalling Studies

Die B-Zelle als Überlebenskünstler

Ein Forschungsteam aus Freiburg und Ulm zeigt, dass B-Lymphozyten ohne B-Zell-Rezeptor überleben können
Der B-Zell-Rezeptor (BCR) auf der Oberfläche einer B-Zelle mit schweren Proteinketten (HC), leichten Proteinketten (LC) sowie der Signaleinheit bestehend aus den Proteinen Igα and Igβ.

Bislang gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei B-Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen, davon aus, dass diese ohne einen funktionierenden B-Zell-Antigen-Rezeptor (BCR) nicht lang überlebensfähig seien. Die Forscherinnen und Forscher um Dr. Elias Hobeika von der Universität Ulm und BIOSS-Sprecher Prof. Dr. Michael Reth haben in Experimenten gezeigt, dass einige B-Zellen auch ohne BCR überlebensfähig sind. Für diese Zellen ist ein funktionsfähiger, weiterer Rezeptor, der den sogenannten Überlebensfaktor BAFF an die B-Zelle bindet, unabdingbar.

B-Lymphozyten sind ein wichtiger Bestandteil unseres erworbenen Immunsystems. Sie bilden Antikörper, wenn sie durch körperfremde Antigene aktiviert werden. Entscheidend ist dabei die Ausbildung eines funktionierenden B-Zell-Rezeptors (BCR). Dieser liegt auf der Oberfläche der B-Zelle und ermöglicht das Erkennen der Antigene. Wird eine B-Zelle durch die Bindung eines fremden Antigens an ihren BCR aktiviert, differenziert sie sich im Folgenden zu Antikörper-produzierenden Plasmazellen, sodass die feindlichen Strukturen im Rahmen der Immunantwort bekämpft werden. 

Das Team um Hobeika und Reth ist an der Erforschung der Organisation und Steuerung dieser Rezeptoren interessiert. Bisherige Untersuchungen gingen davon aus, dass B-Zell-Rezeptoren nicht nur unabdingbar für die Funktionsweise der B-Zellen, sondern auch für das Überleben oder den Erhalt reifer B-Zellen sind. Nun konnten die Forscher zeigen, dass B-Zellen unter bestimmten Umständen durchaus in der Lage sind, auch ohne BCR längere Zeit zu überleben.           

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Klaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin griffen die Wissenschaftler auf spezifische Mausstämme zurück, in denen die Ausbildung des BCR bei bereits ausgereiften B-Zellen manipuliert werden kann. Der auf der Zelloberfläche liegende Rezeptor besteht aus zwei identischen, schweren Proteinketten, zwei identischen leichten Proteinketten sowie einer Signaleinheit bestehend aus den Proteinen Igα und Igβ. Die Signaleinheit ist für die Übermittlung des extrazellulären Signals an die Zelle verantwortlich, das durch den Rezeptor aufgenommen wird. Von dort aus wird dann die entsprechende Immunantwort der Zelle koordiniert.

In den Versuchen schalteten die Forscher nun einmal die schweren Proteinketten und einmal das Protein Igα des Rezeptors aus. In beiden Fällen verschwand der Rezeptor von der Zelloberfläche und die B-Zellen verloren ihre Funktion, Antigene zu erkennen. Jedoch zeigten sich unterschiedliche Überlebenschancen. „Als wir die beiden Gruppen überprüften, waren wir recht erstaunt“, sagt Hobeika. „B-Zellen ohne die schweren Proteinketten starben wie erwartet. Die B-Zellen, bei denen Igα ausgeschaltet wurde, lebten jedoch weiter. Bei genauerer Untersuchung konnten wir feststellen, dass bei dieser Gruppe das Protein Igβ auf der Zelloberfläche blieb.“

Ebenso zeigten die Untersuchungen, dass für das Überleben der Zellen mit ausgeschaltetem Igα-Protein ein weiterer Rezeptor unabdingbar ist. Dieser Rezeptor ist bedeutsam für die Bindung des B-Zell-aktivierenden Faktors BAFF. In verschiedenen Experimenten blockierten die Forscher dessen Funktion. „Die Ergebnisse legen nahe, dass der BAFF-Rezeptor das Überleben unserer untersuchten B-Zellen ohne Igα ermöglicht, wenn der B-Zell-Rezeptor ausfällt“, sagt die Erstautorin der Studie, Ella Levit-Zerdoun.

Diese neuen Erkenntnisse können dazu beitragen, die Rolle von B-Zell-Rezeptoren bei Krebs besser zu verstehen. So wird das Fehlen des in der Studie untersuchten Igα mit einer schlechten Prognose bei einigen B-Zell-Tumoren in Verbindung gebracht. Das bessere Verständnis der Überlebensmechanismen von B-Zellen, so hoffen die Forscher, kann zukünftig dazu beitragen, neue Wege zu identifizieren, mit denen auf kranke B-Zellen Einfluss genommen werden kann.

Michael Reth ist Wissenschaftlicher Direktor des Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling Studies und Professor am Institut für Biologie III der Albert-Ludwigs-Universität. Zudem ist er Gruppenleiter am Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik. Elias Hobeika ist Gruppenleiter am Institut für Immunologie der Universität Ulm. 

 

 

Original publication:

Survival of Igα-Deficient Mature B Cells Requires BAFF-R Function.
Levit-Zerdoun E, Becker M, Pohlmeyer R, Wilhelm I, Maity PC, Rajewsky K, Reth M, Hobeika E.
J Immunol. 2016 Mar 1;196(5):2348-60

http://www.jimmunol.org/content/196/5/2348.long