BIOSS
Centre for Biological Signalling Studies

Erfolgreiche Signalforschung in Freiburg

BIOSS Centre for Biological Signalling Studies wird zehn Jahre alt
Der Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies hat an der Universität Freiburg wichtige Brücken zwischen den Disziplinen gebaut, sagt Sprecher Michael Reth. Foto: Jürgen Gocke

Biologische Signalprozesse bilden die Lebensgrundlage aller Zellen eines Organismus. Seit zehn Jahren bringt der Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Biologie, Medizin, Chemie und Technik mit dem Ziel zusammen, die Abläufe biologischer Signalprozesse besser zu verstehen. Was hat der Cluster erreicht, wie geht es weiter? Nicolas Scherger hat bei BIOSS-Sprecher Prof. Dr. Michael Reth nachgefragt.

 

Herr Reth, mit welchem Konzept hat BIOSS im Exzellenzwettbewerb überzeugt?

Michael Reth: Ich war Anfang 2000 mit meiner Forschung bei einem Stadium angelangt, das nach etwas Neuem verlangte. Die Biologie arbeitete damals weitgehend analytisch: Mittels Knock-out-Techniken wurden Gene in verschiedenen Organismen ausgeschaltet, um zu sehen, was dann nicht mehr funktioniert. Ich war aber der Ansicht, dass es auch einen anderen Weg gibt: den der Synthese. Wir haben dann im kleinen Maßstab Zell-Signal-Systeme zusammengebaut und gesehen, dass man dabei viel über den Signalmechanismus lernen kann. Diese Erfahrung habe ich dann 2007, als die Universität Freiburg in der Gefahr war, den Exzellenzwettbewerb zu verlieren, in den BIOSS-Clusterantrag eingebracht. Die zentrale Forschungsidee war es, in der biologischen Signalforschung den Weg von der Analyse zur Synthese zu gehen und dabei die neuen Techniken der Synthetischen Biologie anzuwenden. Einen synthetischen Ansatz in der biomedizinischen Forschung hatte damals sonst keiner in Deutschland auf der Palette.

 

Wie haben Sie die Anfangszeit erlebt?

Ein Cluster war etwas Neues und es gab eine große Aufbruchsstimmung. Aber die Umsetzung war zunächst schwierig. Das Geld kam sehr schnell nach dem Erfolg unseres Antrags, aber wir hatten weder ein Büro noch ein Gebäude. Ich hatte das Glück, ein engagiertes BIOSS-Office-Team aufbauen zu können – und wir profitierten davon, dass das Land Baden-Württemberg auf die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008, in der alle Bauaktivitäten zum Halt kamen, mit einem Überbrückungsprogramm reagiert hat. In kurzer Zeit ist ein Plan für ein Gebäude erstellt worden und 2011 konnten wir in das Signalhaus Freiburg einziehen.

 

Was war die größte Herausforderung?

Bei einem Exzellenzcluster geht es nicht nur um Forschungsförderung, sondern auch um Personalentwicklung. Die größte Herausforderung war es, die richtigen Leute für unser Projekt zu finden und nach Freiburg zu locken. Wir mussten Stellen ausschreiben, mit Fakultäten verhandeln, da Professuren ja nur dort verankert werden können, und die neuen Labors gut einrichten. Hierbei hat mir mein BIOSS-Office-Team sehr geholfen – und wir haben es dann auch geschafft, die offenen BIOSS-Stellen gut zu besetzen.

 

Welche Rolle haben Gender-Aspekte bei den Berufungen gespielt?

Mit der Exzellenzinitiative sollten auch die bekannten Probleme in der Personalstruktur an deutschen Universitäten angegangen werden. Als ich Biologieprofessor in Freiburg wurde, gab es an meiner Fakultät kaum Wissenschaftlerinnen mit Leitungsfunktionen. BIOSS hat im Antrag versprochen, seine offenen Stellen im gleichen Maße, also 50 zu 50, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu besetzen – und viele haben uns damals gesagt: „Das werdet ihr nicht schaffen.“ Aber so ist es tatsächlich gekommen. Wir haben in beiden Förderrunden je vier Professuren besetzt, davon jeweils zwei mit Forscherinnen. Zudem fördern wir zurzeit eine junge Gruppenleiterin und vergeben seit 2010 den Barbara-Hobom-Preis für erfolgreiche Doktorandinnen.

 

Gibt es weitere Beispiele für Nachwuchsförderung?

In der ersten Runde haben wir vier unabhängige Postdocs sowie fünf Juniorgruppenleiterinnen und -leiter gefördert, von denen einige mittlerweile Professuren erhalten haben. Zudem unterstützen wir jedes Jahr ein Studierendenteam, das sich mit einem Projekt der Synthetischen Biologie am Wettbewerb „International Genetically Engineered Machine“, kurz iGEM, beteiligt. So wird im November 2017 wieder ein BIOSS-Studierendenteam in die USA reisen und dort am Massachusetts Institute of Technology in Boston sein Projekt vorstellen.

 

Außerdem haben Sie die so genannte Toolbox aufgebaut.

Jede Universität hat eine geordnete Bibliothek mit vielen Büchern, die jederzeit einsehbar sind. Die von der Molekularen oder Synthetischen Biologie hergestellten Materialien werden jedoch meistens ungeordnet in vielen verschiedenen Gefrierschränken gelagert. Das Konzept der BIOSS-Toolbox ist es, diese Materialien zu validieren und so zu lagern, dass alle Forscher darauf zurückgreifen können, so wie es eine Bibliothek mit ihren Büchern macht.

 

Nach fünf Jahren war all das etabliert. Wie haben Sie die zweite Förderphase erlebt?

Eigentlich hätte man denken können: Das Fundament ist gelegt, jetzt wird es einfacher. Tatsächlich war die zweite Phase schwieriger. In den Fakultäten waren nicht mehr so viele Stellen frei, und in Deutschland waren nach der ersten Runde der Exzellenzinitiative schon viele Leute berufen worden. Dadurch war es nun schwieriger, die zu uns passenden Leute zu gewinnen. Ich bin froh, dass wir trotzdem wieder sehr gute Wissenschaftler für das BIOSS-Team nach Freiburg holen konnten, aber es hat länger gedauert. Außerdem war es lange unklar, wie es nach der zweiten Antragphase weitergehen würde, und das hat die Berufungen auch erschwert. Jetzt ist es aber klar: Der Wettbewerb geht weiter, und die Initiative CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies, die auf BIOSS aufbaut, steht in der Endrunde.

 

Ab wann hatten Sie das Gefühl, dass die Forschung durchstarten kann?

Erst zum Ende der zweiten Förderphase. Wir haben 2017 die letzten BIOSS-Professuren besetzt, und nun kann ich mich wieder hauptsächlich mit meiner Forschung beschäftigen. Dabei geht es auch um die Umsetzung des BIOSS nanoscale Explorer Programms, kurz BiNEP, des BIOSS-2-Antrags. Wir haben gezeigt, dass alle Rezeptoren auf Immunzellen im Nanometerbereich in funktionalen Proteinclustern geordnet vorliegen. Wir wollen jetzt herausfinden, wie es zu dieser Ordnung kommt.

 

Forschungsverbünde dieser Größe gab es vor dem Exzellenzwettbewerb an Universitäten nicht. Was ist aus Ihrer Sicht der Mehrwert von Clustern?

Exzellenzcluster sollen die Stärken einer Universität sichtbar machen und zur Profilbildung beitragen. Bestehende Forschungsschwerpunkte sollen dabei nachhaltig gefördert und weiterentwickelt werden. So können auch neue Forschungsansätze, wie es BIOSS mit seiner Signalforschung gemacht hat, an einer Universität etabliert werden. Zudem kann ein Cluster Forscher von verschiedenen Fakultäten zusammenbringen und dadurch die Zusammenarbeit an einer Universität wesentlich fördern. BIOSS hat mit seiner Biologischen Signalforschung wichtige Brücken zwischen den Fakultäten gebaut.

 

Zwischen welchen Disziplinen?

In Freiburg war die Verbindung zwischen Biologie und Medizin immer schon sehr eng, was sich auch an vielen gemeinsamen Sonderforschungsbereichen zeigt. Mit BIOSS haben wir diese Verbindung noch verstärkt, aber auch Brücken zur Technischen Fakultät, zur Physik und zur Chemie gebaut.

 

Welche Bilanz ziehen Sie nach zehn Jahren?

BIOSS ist ein sehr erfolgreicher Cluster. Wir haben gezeigt, dass man mit unserer Strategie von der Analyse zur Synthese zur besseren Analyse wichtige neue Entdeckungen in Signalforschung machen kann – und das BIOSS-Team erreicht jedes Jahr etwa 220 Veröffentlichungen auf diesem Gebiet. Der Antrag für CIBSS kann auf unserem Erfolg aufbauen, der Forschung aber auch eine neue Richtung geben.

www.bioss.uni-freiburg.de