BIOSS
Centre for Biological Signalling Studies

BIOSS begrüßt den neuen Juniorprofessor für Synthetische Biologie von Signalprozessen

Winfried Römer, Jahrgang 1976, hat die BIOSS-Juniorprofessur für Synthetische Biologie von Signalprozessen angetreten, er entwickelt u.a. künstliche Membransysteme. Seine Frau Julie Claudinon arbeitet in seiner Arbeitsgruppe, sie promovierte in Zellbiologie.

 

Winfried Römer, Jahrgang 1976, hat die BIOSS-Juniorprofessur für Synthetische Biologie von Signalprozessen angetreten, er entwickelt u.a. künstliche Membransysteme. Seine Frau Julie Claudinon arbeitet in seiner Arbeitsgruppe, sie promovierte in Zellbiologie.

Wir freuen uns, dass Familie Römer nun das BIOSS-Team bereichert und gratulieren Winfried Römer zum Pfizer Forschungspreis für Medizin, mit dem er am 3. Februar in Zürich ausgezeichnet wurde.


Pfizer-Preis

Der Pfizer Forschungspreis (für Medizin) geht an junge WissenschaftlerInnen, die an Schweizer Forschungsinstituten oder Krankenhäusern herausragende und zukunftsweisende Beiträge im Bereich Grundlagenforschung oder klinische Forschung erbracht haben. Ausgezeichnet werden jeweils die für Ideen und Durchführung einer Veröffentlichung verantwortlichen Autoren.

Für die Publikation «Die Struktur des Rezeptorlipides beeinflusst die Internalisierung und die Infektion des SV40 Tumorviurs» erhielten Dr. Winfried Römer, damals Institut Curie Paris und Dr. Helge Ewers, ETH Zürich, den sogenannten "Forschungs-Oskar" von Pfizer.

         

W. Römer (rechts) mit dem Pfizer-Preis


Die beiden Wissenschaftler erforschten den bislang unbekannten Mechanismus, den Tumorviren der Polyomafamilie nutzen, um ins Zellinnere zu gelangen. Diese weit verbreiteten Tumorviren docken nicht an Proteine sondern an Lipide auf der Wirtsoberfläche an. An SV40 konnten die beiden Forscher zeigen, wie sich durch den Kontakt die Struktur der Zellmembran einstülpt und ein Bläschen um das Virus bildet, das letztlich ins Zellinnere abgestoßen wird.

„Polyomaviren sind Tumorviren, die in immunsupprimierten Patienten schwere Erkrankungen und  Krebs auslösen können und Lipide in der Zellmembran als Rezeptoren nutzen. Wie Lipide den Eintritt von Viren in Zellen vermitteln, ist unklar und Gegenstand unserer Arbeit. Indem wir zelluläre Lipide durch solche mit veränderter Struktur ersetzten, konnten wir zeigen, dass diese von entscheidender Bedeutung für die Infektion sind. Wir beobachteten, dass die Viren nach dem Binden in dünnen Röhren innerhalb der Zellen zu finden waren. Solche Röhren zeigten sich auch in vitro, wenn das Virus mit Rezeptoren der richtigen Struktur interagierte. Der Virus verformt also Membranen ohne Hilfe von zellulären Proteinen, indem er Lipide mit spezifischer Struktur als Rezeptoren wählt.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Struktur des Rezeptorlipids von zentraler Bedeutung für die Infektion mit Polyomaviren ist. Durch die Kombination von in vitro Experimenten mit physikalischen Modellen identifizierten wir einen allgemeinen Mechanismus, der lipidbindenden Polyomaviren und bakteriellen Toxinen das Eindringen in Zellen ermöglicht: Die laterale Organisation von Lipiden mit besonderer Struktur in einer winzigen Domäne agiert als Schalter, der zur Verformung der Membran und Internalisierung des Pathogens führt.“

Publikation:

SV40 binding to its receptor, GM1, induces membrane invagination, tubulation and infection. Ewers, H.*, Römer, W.*, Smith, A.E., Bacia, K., Dmitrieff, S., Chai, W., Mancini, R., Kartenbeck, J., Chambon, V., Berland, L., Oppenheim, A., Schwarzmann, G., Feizi, T., Schwille, P., Sens, P., Jo-hannes, L., and Helenius, A. * equal contribution. Nat Cell Biol. 12(1) 11-8. (2010)

Siehe auch: Press Release Pfizer:http://www.pfizerforschungspreis.ch/images/stories/pdfs/winners/2011/Infektiologie_DrHelgeEwers.pdf

 

Interview mit Winfried Römer

Herr Römer, bitte charakterisieren Sie Ihren Forschungsschwerpunkt.

Meine Arbeitsgruppe untersucht die Aufnahme von humanen Pathogenen wie Pseudomonas, Chlamydia oder Influenza in Zellen. Hierbei scheint die Interaktion von oligomeren, zuckerbindenden Proteinen an der Oberfläche der Pathogene mit Glykosphingolipiden der Wirtszelle eine extrem wichtige Rolle zu spielen. Wir schauen uns speziell die Bindung der Pathogene an die Plasmamembran an. Sie führt  zu einer lokalen Umorganisation in der Membran, induziert Signalkaskaden und verursacht  große Veränderungen im Zytoskelett. Außerdem sind wir daran interessiert, zelluläre wie auch mikrobielle Faktoren zu identifizieren, die essentiell für die Internalisierung und den intrazellulären Transport der Krankheitserreger sind. Wir hoffen, dass sie  vielleicht eines Tages gezielt therapeutisch genutzt werden können, um Krankheiten zu heilen. Neben zellbiologischen und biochemischen Ansätzen versuchen wir, zelluläre Prozesse an künstlichen Membransystemen, z.B. Liposomen, zu rekonstituieren – wir betreiben also synthetische Membranbiologie.

In Ihrer Doktoranden- und Postdoc-Zeit haben Sie einige Zusatzausbildungen gemacht, wieso?

Mich interessieren eben sehr viele Dinge. Ich wollte eine möglichst breite Ausbildung, davon profitiere ich jetzt. Sprachen und Soft Skills sind extrem wichtig in allen Lebenslagen – und natürlich auch um eine Arbeitsgruppe gut zu leiten.

Sagen Sie uns etwas zu Ihrer Ausbildung in Hochschuldidaktik?

Die Zusatzausbildung in Didaktik war zeitlich so aufwendig, wie sie  hochwertig ist. Das Zertifikat ist an allen bayerischen Unis in die Ausbildung der Habilitanden integriert. Wir haben gelernt: Wie bewerte ich Studierende? Wie motiviere ich? Wie präsentiere ich? Wie löse ich Konfliktsituationen? Wie interpretiere ich die Körpersprache anderer? Mir macht es viel Freude zu lehren und meine Erfahrungen mit Studenten auszutauschen. Am liebsten diskutiere ich über die Entschlüsselung des „Zucker-Codes“ durch Lektine.

Können Sie sich ein Traumziel für Ihre Forschung vorstellen?

Zellbiologie hat mich immer fasziniert, schon mit meinem Studium habe ich mir einen Traum verwirklicht. Nun gibt es in der heutigen Forschungslandschaft noch nicht so viele Arbeitsgruppen, die Zellbiologie und Synthetische Biologie verbinden. Es wäre traumhaft, wenn wir irgendwann eine künstliche Zelle zusammenbauen könnten, die wie eine natürliche Zelle funktioniert, also eine Zelle, die wandert, die sich selbst versorgt, die sich teilt.

Sie haben ein besonderes Privileg. Sie sind in Frankreich verbeamtet, was heißt das?

Ich bin 2008 von CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique), einer französischen Forschungseinrichtung, als Wissenschaftler (Chargé de recherche) verbeamtet worden. Trotzdem habe ich mich auf die Juniorprofessur nach Freiburg beworben, weil mich die Thematik und das Forschungsumfeld interessiert haben. Sonst wären wir in Paris geblieben. Nun kann ich meine französische Forschungskarriere unterbrechen, könnte aber in sechs Jahren theoretisch nach Frankreich zurückkehren. Meine Stelle wandert mit mir mit, auch wenn ich mich beruflich verändern und z.B. nach Nizza oder Marseille gehen will.

Sie sind ein engagierter Wissenschaftler und haben Familie, wie geht das miteinander?

Es klappt sehr gut. Meine Familie ist für mich der wichtige Ausgleich zu meinem Beruf. Es ist nicht immer einfach, doch meine Frau Julie und ich, wir haben gelernt, uns gut zu organisieren und vor allem effektiv zu sein. Julie hat am Curie Institut in Zellbiologie (über Signalprozesse) promoviert. Sie versteht und spricht sehr gut deutsch. Wir wollten nach Deutschland in Grenznähe zu Frankreich, damit unsere Kinder mit zwei Sprachen aufwachsen. In Freiburg fühlen wir uns sehr wohl. Lucas ist vier Jahre, er geht in den deutsch-französischen Kindergarten in Haslach, Martin ist elf Monate alt und ist  halbtags in einer Kinderkrippe in Uninähe. Ich möchte dem Familienservice der Uni danken, der uns bei der Suche sehr geholfen hat.

Winfried Römer, Stationen des eher ungewöhnlichen Werdegangs eines Forschers:

Studium des Gymnasiallehramts für Chemie und Biologie an der Universität Regensburg, 1. Staatsexamen 2001, als Masterarbeit entsteht ein Schwangerschaftstest als Praktikumsversuch für Chemiker; am Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik der Universität Regensburg erster Kontakt mit künstlichen Membranen, 2004 dort Promotion „Impedance analysis and single ion channel recordings on pore-suspending lipid bilayers based on highly ordered pore arrays”; von 2003 - 2004 Begleitstudium Hochschuldidaktik mit Zertifikat der Uni Regensburg; Ende 2004 nach Frankreich ans Curie Institut; untersucht dort clathrin-unabhängige Aufnahmewege in die Zelle; 2007 Diplom als Management–Consultant an der Akademie für Wirtschaftswissenschaften Bad Harzburg (BWL, Recht, Psychologie, Marketing, internationales Management, u.a.); Publikation in Nature 2007; 2008 von der französischen Forschungseinrichtung CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique) verbeamtet als Wissenschaftler am Institut Curie Paris; Publikation in Nature Cell Biology und in Cell 2010; 2011 Pfizer Preis in Infektiologie; April 2011 Start bei BIOSS.

Vormerken:

Science Slam am Dienstag, den 19. Juli im MensaGarten (Rempartstraße) um 21 Uhr mit Winfried Römer.
http://scienceslamfreiburg.blogspot.com/