Mitochondrien trennen Müll
Freiburger Forscher zeigt, dass Zellkraftwerke geschädigte Moleküle sammeln und abbauen
Um sich vor Schadstoffen zu schützen, müssen Zellen auch in den Mitochondrien, dem Heizungskeller, putzen. Ob sie dazu defekte Proteine aussortieren, wenn sie Mitochondrien verdauen, war bisher unklar. Dr. Jörn Dengjel vom Center for Biological Systems Analysis (ZBSA), Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) und dem Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg fand mit Forscherinnen und Forschern der Hebrew University in Jerusalem/Israel heraus, dass die Proteine während des ständigen Teilens und Vereinigens der Mitochondrien aussortiert
Hefezellen verdauen in Langzeitkulturen ihre werden. Das Team publizierte die Ergebnisse
Mitochondrien. Dieser Prozess heißt Mitophagie. in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.
Proteine, die unterschiedlich schnell verdaut
werden, sind fluoreszent markiert. (© Jörn Dengjel)
Der Prozess der Mitophagie, bei dem Verdauungsbläschen Mitochondrien umschließen, recycelt den Müll für die Zelle. Geschädigte Proteine können ihre Funktion nicht mehr richtig ausführen und müssen abgebaut werden. Im Alter und bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer treten Fehler im Verdau der Mitochondrien auf. Die Mitophagie zu verstehen könnte in Zukunft helfen, dem fehlerhaften Abbau der Zellbestandteile entgegenzuwirken. So können Forscher vielleicht neue Therapien für neurodegenerative Erkrankungen entwickeln.
Hefezellen besitzen im Gegensatz zu Bakterien Mitochondrien und sind genauso pflegeleichte Laborhaustiere. Die Forscher verwendeten die Hefen, um die Vorgänge der Mitophagie zu beobachten. Dr. Hagai Abeliovich von der Hebrew University entwickelte eine neue Methode, Hefezellen dazu zu bringen, Mitochondrien zu verdauen. Bisher stressten Forscher Zellen dafür 2 mit Chemikalien. Bei der neuen Methode passiert es von ganz allein – wenn die Hefezellen in Langzeitkulturen alle Nährstoffe aufgebraucht haben. Während der Mitophagie konnte Dengjel messen, ob alle Proteine innerhalb der Mitochondrien gleich schnell abgebaut werden. Tatsächlich baut die Zelle manche Proteine langsamer, manche schneller ab. Als er die Zellen unter dem Fluoreszenzmikroskop beobachtete, stellte er fest, dass sich die markierten Proteine in den Mitochondrien auch unterschiedlich verhalten. Sie scheinen sortiert zu werden.
Nach welchen Regeln die Sortierung erfolgt, ist noch unbekannt. Die Forscher zeigten, dass die mitochondriale Dynamik eine Rolle spielt: Mitochondrien teilen und vereinigen sich ständig und sind auf diese Wiese miteinander vernetzt. Genetisch veränderte Hefen, denen diese Dynamik fehlt, die aber kleine, runde Mitochondrien bilden, zeigen keine Sortierung der Proteine. „Wahrscheinlich werden die beschädigten Proteine mit jeder Fusion und Teilung langsam in einen Bereich des Netzwerkes sortiert. Dieses Mitochondrium wird markiert und abgebaut“, sagt Dengjel. Mitophagie spielt die Müllabfuhr, der Abfall wird also getrennt und recycelt. Als nächstes will Dengjel herausfinden, was ein Protein kennzeichnet, das aussortiert wird. Vielleicht findet er einen Grünen Punkt.
Originalveröffentlichung:
H. Abeliovich, M. Zarei, K.T.G. Rigbolt, R.J. Youle and J. Dengjel (2013)
Involvement of mitochondrial dynamics in the segregation of mitochondrial matrix proteins during stationary phase mitophagy.
Nature Communications 4, Nr. 2789 doi:10.1038/ncomms3789
http://www.nature.com/ncomms/2013/131118/ncomms3789/full/ncomms3789.html