BIOSS
Centre for Biological Signalling Studies

Natur setzt auf bewährte Strategien

 

Publikation in „Nature Genetics“: Neu entdeckter Mechanismus könnte Entstehung der Zystenniere unterdrücken

             

Prof. Gerd Walz, Jun. Prof. Dr. Olaf Ronneberger

Freiburger Forschern aus der Nephrologischen Abteilung am Universitätsklinikum Freiburg um Prof. Dr. Gerd Walz, Mitglied von BIOSS Centre for Biological Signalling Studies, und Olaf Ronneberger, Junior-Professor bei BIOSS, ist es gelungen, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Nierenentwicklung zu leisten. Mithilfe hochauflösender Mikroskopie konnte Dr. Soeren Lienkamp die frühe Organentwicklung an winzigen Froschnieren verfolgen und dadurch aufklären: In dieser Phase müssen sich aus kugelförmigen Gebilden gestreckte Nierenschläuche bilden, welche später für die Nierenfunktion lebenswichtig sind.

Effektive Streckung des Gewebes

Der Wissenschaftler fand heraus, dass in der heranreifenden Froschniere einzelne Zellen aufeinander zuwandern und einen Zellkranz bilden, in dem sich alle Zellen an einer einzigen Stelle berühren. Durch eine Drehung dieses Zellkranzes in Richtung des späteren Nierenschlauches kommt es zu einer effektiven Streckung des Gewebes. Auch Fruchtfliegen verwenden dieses Prinzip, um aus kleinen Gewebsklumpen gestreckte, voll funktionsfähige Flügel zu produzieren. Offensichtlich werden Bausteine, die sich in der Evolution einmal als erfolgreich erwiesen haben, mit nur geringen Abwandlungen immer wieder verwendet. Die Arbeitsgruppe um Gerd Walz, Ärztlicher Direktor der Nephrologischen Abteilung am Universitätsklinikum Freiburg, konnte in Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen in Freiburg und Texas darüber hinaus zeigen, dass dieses Programm auch in der Mausentwicklung und damit wahrscheinlich auch im Menschen angewendet wird. „Wir konnten nicht nur zeigen, wie clever die Natur einmal gemachte Entdeckungen weiterverfolgt, sondern nachdrücklich unterstreichen, wie viel wir heute noch von Fruchtfliegen und Kaulquappen für die Entwicklung von Organen und Krankheitsprozessen lernen können“, erklärt das Mitglied von BIOSS.

 

Zystenbildung könnte von vorneherein unterbunden werden

In der Tat haben die Arbeiten direkte Anwendungsmöglichkeiten für die Behandlung von Zystennieren, einem Krankheitsbild, mit dem sich die Nephrologie in Freiburg schon seit vielen Jahren beschäftigt. „Bisher haben wir versucht, Wege zu finden, um das Wachstum von Zysten bei Patienten, die diese Krankheit geerbt haben, zu unterdrücken. Eine vermehrte Aktivität der Streckungsprogramme, wie die von uns beschriebenen, könnte die Zystenbildung nun von vorneherein unterbinden. Das bedeutet: Wir haben einen völlig neuen Ansatz, um die Erkrankung schon in der Entstehung zu unterdrücken.“ Dafür müssen die Wissenschaftler nun nach Medikamenten suchen, die diese Programme gezielt stimulieren. „Das es so etwas geben muss“, sagt Gerd Walz, „zeigt die Natur. Es gibt Gendefekte bei Mäusen, welche bei Menschen zu Zystennieren führen. In der Maus wird die Zystenbildung aber durch eine vermehrte Streckung komplett gehemmt. Wenn das bei der Maus geht, muss es auch beim Menschen Möglichkeiten geben, dieses Prinzip zur Prävention von Zysten einzusetzen.“

Originalpublikation

Vertebrate kidney tubules elongate using a planar cell polaritydependent, rosette-based mechanism of convergent extension.
Soeren S Lienkamp, Kun Liu, Courtney M Karner, Thomas J Carroll, Olaf Ronneberger, John B Wallingford & Gerd Walz.
Nat Genet. 2012 Nov 11. doi: 10.1038/ng.2452. [Epub ahead of print]
http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.2452.html